Hans-Dieter Dreher

Hans-Dieter Dreher

Richtig Reiten

Individuell auf jedes Pferd einstellen
Springprofi Hans-Dieter Dreher erklärt, wie man schwierige Pferde reitet

Zu mir kommen oft Leute und sagen, ich sei der Spezialist für schwierige Pferde. Eigentlich kann ich das gar nicht unterschreiben, momentan habe ich auch nicht wirklich schwierige Pferde zum reiten. Meine Devise lautet einfach: der Reiter muss sich dem Pferd anpassen und nicht umgekehrt. Wenn man das beherzigt, sollte man in der Lage sein, mit nahezu jedem Pferd zurecht kommen zu können. Natürlich gibt es Pferde, die einem mehr liegen und andere, die einem weniger liegen. Ich kann zum Beispiel von mir sagen, dass ich sehr selten faulen oder triebige Pferde zum reiten habe – meine Reitweise funktioniert mit dieser Art von Pferd einfach nicht. Alle meine Pferde haben einen natürlichen Vorwärtsdrang, aber ich habe auch kaum einen, der wirklich heiß ist – spontan fällt mir da nur Lasandro ein. Früher konnte man ihn nicht einmal richtig dressurmäßig reiten, weil er so gerannt ist. Er ging dann viel an der Longe, mittlerweile kann man ihn ganz normal Dressur reiten. Ihn springe ich zum Beispiel zu Hause nie. Wenn ich das Gefühl habe, dass er vor dem Turnier noch Springpraxis braucht, lasse ich ihn lieber Freispringen. Doch zurück zu den „schwierigen Pferden“.

Nicht schwierig, sondern besonders

Man sollte vielleicht eher von „Besonderheiten“ sprechen, die diese Pferde haben. Zunächst einmal ist es wichtig, herauszufinden, wo die Schwierigkeit oder Besonderheit des jeweiligen Pferdes liegt. Ist es sehr heiß oder maulig oder stoppt es? Auf jedes Problem muss dann individuell eingegangen werden. Bei Embassy, dem zehnjährigen Hengst vom Gestüt Galmbacher, den ich seit dieser Saison auch in internationalen Springen reite, gibt es zum Beispiel keinerlei Probleme. Er ist so leichtrittig, vorsichtig und super zu reiten, dass bei ihm die Schwierigkeit darin liegt, ihn aufmerksam zu halten. Bei einem Pferd, das sich so gut anbietet wie der Schwarzbraune, muss man aufpassen, dass er immer gut mitarbeitet – und vor allem, dass man auch als Reiter nicht dazu verleitet wird „ es sich bequem zu machen“ und unkonzentrierter reitet als bei einem Pferd, das mehr Arbeit verlangt.
Diese Aufmerksamkeit erziele ich durch viele Tempiwechsel, sowohl beim Warmreiten im Trab und Galopp als auch später beim Springen. Ich variiere das Tempo beim Anreiten der Hindernisse, reite mal ganz ruhig und mal mit flüssigerer Grundgaloppade. Wichtig ist mir bei Embassy, dass ich ihn nach dem Sprung in der Vorwärtsbewegung halte. Ich nehme ihn also nicht sofort nach der Landung auf, sondern lasse ihn erstmal in etwas freierem Tempo weitergaloppieren, bis er sich wieder richtig entspannt. Solchen arbeitswilligen und eifrigen Pferden muss man immer wieder auch verschiedene Aufgaben stellen. Das kann man mit sehr einfachen Mitteln erreichen.

Das Interesse wecken

Wir haben auf Gestüt Grenzland beispielsweise einfache Holzkisten, die wir auf jeder Seite in einer anderen Farbe angestrichen haben und die als Unterbau des Sprungs dienen. So kann man eine Mauer bauen, die auf einer Seite komplett rot und auf der anderen komplett blau ist, die aber auch völlig bunt sein kann. Mann kann auch am Rand drei und in der Mitte nur eine Kiste unter den Sprung stellen oder umgekehrt – so kann man das Aussehen des Sprungs immer wieder komplett verändern und dadurch den Pferden jeden Tag etwas Neues zu sehen geben. Bei gut mitarbeitenden Pferden läuft man stets auch Gefahr, mehr zu fordern und länger zu reiten als ursprünglich beabsichtigt, weil sie sich so willig zeigen. Hier muss man immer wieder darauf achten, sich selbst zu bremsen. Ich reite zu Hause jedes Pferd etwa 45 Minuten, das reicht. Wichtig ist mir dabei, dass alle unsere Pferde – auch die Hengste – täglich für mehrere Stunden auf die Weide kommen. Koppelgang ist unabdingbar zum Ausspannen für die Turnierpferde. Die Besonderheit des braunen Württembergers Landis von Landjunge, der schon zahlreiche M** gewonnen hat und S-platziert war, ist seine Vorsichtigkeit. Bei ihm liegt die Gefahr darin, dass er sich am Hindernis stark überspringt. Das kann ich verhindern, indem ich mit einem von vorne herein höheren Grundtempo reite als beispielsweise bei Embassy und indem ich bei kleineren Hindernissen darauf achte, diese nicht zu dicht zu reiten. Der Absprungpunkt sollte also eher weiter vom Sprung entfernt sein als zu nahe daran. Beim dressurmäßigen Reiten ist der Braune, der momentan etwas Speck angesetzt hat und deshalb auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so sportlich wirkt, eher faul. Ich reite ihn deshalb daheim mit Dressurgerte, um ihn besser motivieren zu können. Sobald er aber ein paar Sprünge gemacht hat und quasi „auf Betriebstemperatur“ ist, geht er gerne vorwärts und ist im Parcours ein unheimlich schnelles Pferd. Mit ihm habe ich schon zahlreiche Springen gewinnen können, er ist auch sehr wendig. Dieses Pferd hat „seine Höhe“, in der es sich wohlfühlt, das ist etwa 1,40 Meter. Wie schon gesagt, über diese Abmessungen ist er unwahrscheinlich vorsichtig und durch seine Schnelligkeit auch ein echter Siegesgarant. Ich würde es aber für falsch halten, ihm mehr abzuverlangen und ihn damit zu überfordern. Das ist der Bereich, der für Landis optimal ist. Ihn springe ich daheim vor dem Turnier über höhere Hindernisse – mit manchen meiner Turnierpferde trainiere ich daheim über verhältnismäßig niedrige Sprünge – um ihm die Sicherheit zu geben, die er für das Turnier dann braucht.

Schwieriges Maul bei Laika

Franzosenstute Laika, die jetzt zwölfjährig ist und M-Springen gewonnen hat und in S platziert war, ist ein sehr sicheres Pferd – bei ihr liegt die Herausforderung beim Reiten daran, dass sie sehr „maulig“ ist, wie die Reiter so sagen. Sie hat viel Qualität, ist sehr brav und ein ideales Lehrpferd, hat jedoch kein einfaches Maul. Ich versuche, die Fuchsstute wenn möglich ganz ohne Hand zu reiten. Meine bereiterin Julia, die mit Laika auch schon L-Springen gewonnen hat, hat die Stute schon gut vorbereitet und locker geritten, also kann ich direkt mit ihr anfangen. Es fällt wahrscheinlich gleich auf, dass ich ihr die Nase stark vor lasse, auch beim traben schon. Ich will mich gar nicht mit ihr anlegen und lasse sie auch auf dem Abreiteplatz beim Turnier mit hoher Nase gehen. Das bedeutet nicht, dass ich keine Anlehnung habe – ich zwinge sie einfach nicht dazu, den Hals fallen zu lassen. Auch vor dem Sprung gebe ich möglichst wenig Einwirkung mit der Hand. Im Training halte ich es eher so, dass ich es darauf ankommen lasse, dass der Sprung dicht wird. Zum einen hat die Stute genügend Qualität, dass sie auch bei einem dichten Absprung fehlerfrei über das Hindernis kommt. Zum anderen denke ich, dass der Lerneffekt fürs Pferd größer ist, wenn sie einmal einen Fehler macht, weil sie auf das Hindernis losstürmt statt zurückzukommen, als wenn ich durch zu viel Regulieren mit der Hand vor dem Sprung den Rhythmus kaputt mache. Bei ihr achte ich auch darauf, schon zwei bis drei Galoppsprünge vor dem sowie im Absprung mit dem Oberkörper etwas hinten zu bleiben, damit sie von selbst hochkommt. Auch nach dem Hindernis gehe ich nicht ans Maul, sondern gebe ihr Zeit, sich zu „fangen“ und wieder in ihren Rhythmus zu kommen.
In Kombinationen beschleunigt sie gerne stark – hier ist es im Training hilfreich, zum einen am Aussprung viel „Fuß“ zu geben, also eine Vorlegestange weit vorzulagern und zum anderen, dass ich mich wiederum mit dem Oberkörper über dem zweiten Sprung früher aufrichte. Dann rennt sie nicht so nach vorne und durch die Vorlegestange springt sie vorsichtiger und vom Ablauf her besser über das Hindernis.

Andere Pferdetypen

Neben diesen Pferdetypen gibt es noch andere „Schwierigkeiten“ – wie angesprochen kann es sein, dass ein Pferd sehr heiß ist. Bei solchen Pferdetypen ist der schon genannte Weidegang besonders wichtig, außerdem sollten sie viel ins Gelände geritten und zu Hause nur wenig gesprungen werden. Pferde, die oft verweigern, weil sie sehr „guckig“ sind und Angst vor den Sprüngen haben, müssen über viele kleine Hindernisse geritten werden, die man vom Aussehen immer verändert. Dafür kann man die bereits erwähnten Holzkisten nehmen oder aber Fässer wie die blauen Plastikwasserfässer, die man dann mit Hilfe von aufgeschüttetem Sand oder Stangen sicher fixiert. Eine andere Möglickheit sind Planen oder Silosäcke – Hauptsache viel Abwechslung.
Es spielt keine Rolle, welchen Typ Pferd man reitet: das Wichtigste ist, dass man sich auf das jeweilige Pferd einstellen kann. Man muss sich dem Tier anpassen, seine Reitweise entsprechend umstellen und jedes Pferd anders reiten. Es gibt keine zwei Pferde, die gleich sind – also kann man auch keine zwei auf die gleiche Weise reiten. Wenn man Gefühl beweist und seine Reitweise entsprechend auf das Pferd einstellt, wird vielleicht aus manchem „Problemfall“ ein angenehmer Sportpartner.

Quelle Reiterjournal 9/11